1 Hintergrund und Gang des Gesetzgebungsverfahrens
2 Kernanliegen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes
3 Reformierung der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen
3.1 Anpassung der Freibetragsregelung (§ 3 Nr. 39 EStG)
3.2 Weiterhin keine Haltefrist für Vermögensbeteiligungen
3.3 § 19a EStG: Auch Gewährung durch Gesellschafter des Arbeitgebers begünstigt
3.4 § 19a EStG: Weiterhin keine Konzernklausel
3.5 § 19a EStG: ausdrücklich auch vinkulierte Anteile erfasst
3.6 § 19a EStG: Kreis der relevanten Arbeitgeber erheblich erweitert
3.7 § 19a Abs. 4 EStG: Zwingende Versteuerung erst nach 15 Jahren
3.8 § 19a Abs. 4 Satz 4 EStG: Rückkaufswert statt Marktwert maßgeblich
3.9 § 19a Abs. 4 Buchst. a EStG: befreiende Lohnsteuerübernahme durch Arbeitgeber
3.10 Keine Pauschalbesteuerungsmöglichkeit
3.11 Offene Praxisprobleme
4 Änderung in § 3 Nr. 71 EStG: Anpassung an INVEST-Förderbedingungen
5 § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG: Verwaltungsleistungen von alternativen Investmentfonds
6 Höhere Arbeitnehmer-Sparzulage (Änderung des Fünften Vermögensbildungsgesetzes)
7 Gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Änderungen (grober Überblick)
8 Verbraucherschutzrecht und Sonstiges
Die Bundesregierung hatte am 16.8.2023 auf Grundlage eines Referentenentwurfs vom 12.4.2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) beschlossen und anschließend dem Bundestag zugeleitet. Nach Befassung des Bundesrats und insbes. durch dessen Ausschüsse veranlassten Änderungen wurde das Gesetz am 17.11.2023 durch den Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 24.11.2023 zu. Die Regelungen des Gesetzes treten, je nach einzelner Regelung, nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten entweder am Tag nach Verkündung im Bundesgesetzblatt oder am 1.1.2024, einzelne Regelungen (bestimmte Änderungen im BGB sowie von versicherungsvertragsrechtlichen Bestimmungen) erst am 1.1.2025 in Kraft.
Kernanliegen des Gesetzes mit über 35 Artikeln (»Omnibusgesetz«) ist zum einen, insbes. kleinen und mittleren Unternehmen steuerattraktivere Mitarbeiterbeteiligungsmodelle zu ermöglichen und zum anderen, das Aktien- und Kapitalmarktrecht punktuell zu modernisieren. Daneben beinhaltet das Gesetz unter anderem Änderungen im Verbraucherschutzrecht.
Aus steuerrechtlicher Sicht sind insbes. die mit dem Gesetz beschlossene Reformierung und Verbesserung der Besteuerungsanreize bei Mitarbeiterbeteiligungsmodellen für jüngere Unternehmen von hoher praktischer Relevanz.
Ein Kernanliegen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes ist die Erhöhung der Attraktivität von an ArbN gewährten Vermögensbeteiligungen. Diesem Zweck dienen mehrere Änderungen im Einkommensteuerrecht.
Der Steuerfreibetrag für entsprechende Mitarbeiterkapitalbeteiligungen (genauer: gewährten Vorteilen aus der Überlassung von Vermögensbeteiligungen i.S.d. Fünften Vermögensbeteiligungsgesetzes) wird von bislang 1 440 € pro Jahr auf 2 000 € erhöht (§ 3 Nr. 39 EStG) angehoben. Im Referentenentwurf war sogar eine Anhebung auf 5 000 € vorgesehen, die aber am Widerstand des Bundesrats scheiterte.
Es wird weiterhin vorausgesetzt, dass das Beteiligungsprogramm grds. allen ArbN angeboten wird, die zum Zeitpunkt des Angebots mindestens ein Jahr in einem ununterbrochenen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen, wobei die Ausgestaltung aus sachlichen Gründen je nach Mitarbeiter differenziert werden kann. Übersteigt der gewährte geldwerte Vorteil den Freibetrag, ist der übersteigende Teil stpfl.
Nach dem Referentenentwurf sollte durch eine Haltefrist (die in § 20 Abs. 4b EStG-E vorgesehen war) sichergestellt werden, dass steuerfrei erhaltene geldwerte Vorteile in Gestalt von Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen nicht zeitnah (innerhalb von drei Jahren) nach der Überlassung der Beteiligung steuerfrei veräußert oder unentgeltlich übertragen werden. In diesen Szenarien sollte eine Nachversteuerung des zunächst steuerfrei belassenen Lohnanteils (der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen) als Kapitaleinkünfte erfolgen. Die entsprechenden Regelungen (die auch für wesentliche Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens vorgesehen waren) sind nicht Gesetz geworden. Somit bleiben insbes. Beteiligungsmodelle von börsennotierten Unternehmen nach dem »Sell-to-cover«-Ansatz, wonach ein Teil der gewährten Aktien unmittelbar nach Zufluss veräußert wird, um Steuern und gegebenenfalls Sozialabgaben leisten zu können, durch die Gesetzesänderung unberührt. Damit entfällt, mangels Haltefrist, auch die Notwendigkeit zusätzlicher Regelungen zum Kapitalertragsteuerabzug, um die Überwachung sperrfristbehafteter Kapitalbeteiligungen über drei Jahre durch depotführende Kreditinstitute auch dann sicherzustellen, wenn ein Berechtigter sein Depot und/oder seine depotführende Bank wechselt (ursprünglich vorgesehen in § 43a Abs. 2 EStG-E).
Der in dieser Form zum 1.7.2021 eingeführte § 19a EStG regelt, dass geldwerte Vorteile aus bestimmten Vermögensbeteiligungen zur Vermeidung der Besteuerung eines sog. »dry income« unter bestimmten Voraussetzungen erst nachgelagert (etwa bei Veräußerung) besteuert werden.
Der Anwendungsbereich des § 19a EStG wird erweitert. Zum einen sind künftig auch von (Gründungs-)Gesellschaftern gewährte Beteiligungen begünstigt, nicht nur solche, die vom ArbG selbst gewährt werden (§ 19a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Gestrichen wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens allerdings eine Konzernklausel, nach welcher als Unternehmen des ArbG i.S.d. § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG auch ein Konzernunternehmen i.S.d. § 18 AktG gegolten hätte und entsprechend auch Vermögensbeteiligungen an solchen verbundenen Unternehmen unter die Regelungen des § 19a EStG hätten fallen können. Hier fürchteten die Regierungsparteien unerwünschte Gestaltungen (BT-Drs. 20/9363 vom 15.11.2023, 105). Möglicherweise wird in Zukunft ein weiterer Anlauf unternommen, eine Konzernklausel zu implementieren.
Im Gesetzestext wird nunmehr klargestellt, dass auch bei Erhalt vinkulierter (dinglich verfügungsbeschränkter) Anteile ein begünstigungsfähiger Zufluss von Arbeitslohn vorliegt.
Nach § 19a Abs. 3 EStG ist die vergünstigte nachgelagerte Besteuerung nur möglich, wenn das Unternehmen des ArbG im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung bestimmte, auf EU-Ebene für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) definierte Schwellenwerte nicht überschreitet. Hierbei werden nunmehr jedoch die maßgeblichen Schwellenwerte erheblich ausgeweitet. Bei Umsatz und Jahresbilanzsumme wird künftig auf die doppelten (statt bisher einfachen) KMU-Schwellenwerte abgestellt (vgl. § 19a Abs. 3 EStG), sodass Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 100 Mio. € (statt 50 Mio. €) oder einer Jahresbilanzsumme von bis zu 86 Mio. € (bisher 43 Mio. €) erfasst sind. Bei der Mitarbeiteranzahl werden künftig Unternehmen mit bis zu 1 000 Beschäftigten (genauer: ArbN solcher Unternehmen) in den Genuss der Steuervergünstigung kommen dürfen. Überdies soll es ausreichen, wenn das Unternehmen die Schwellenwerte entweder im Jahr des Zeitpunkts der Übertragung oder in einem einzigen der sechs vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat.
Als junges Unternehmen gilt künftig ein Unternehmen, das zum Zeitpunkt des Beteiligungsprogramms höchstens 20 (und nicht zwölf) Jahre bestanden hat.
Erleichterungen ergeben sich auch für die Besteuerungstatbestände nach § 19a Abs. 4 EStG, welche die bei Gewährung der Vermögensbeteiligungen zunächst nicht erfolgte Versteuerung nachholen.
Zunächst wird der Zeitpunkt (Long-Stop-Date), zu dem bei nicht erfolgter Veräußerung die Besteuerung zwingend nachgeholt wird, von zwölf auf 15 Jahre verschoben.
Im Falle eines Ausscheidens des Berechtigten aus dem Unternehmen (Leaver-Event) und einem Rückerwerb der Anteile durch den ArbG, einen Gesellschafter des ArbG oder ein verbundenes Unternehmen i.S.d. § 18 AktG soll nur der tatsächliche Rückkaufswert (die vom ArbG gewährte Vergütung) für die Besteuerung maßgeblich sein und nicht der Verkehrswert, § 19a Abs. 4 Satz 4 EStG.
Zudem lösen die Besteuerungstatbestände »Ablauf von 15 Jahren« sowie »Beendigung des Dienstverhältnisses« ausnahmsweise keine sofortige Besteuerung aus, wenn der ArbG spätestens mit der dem betreffenden Ereignis folgenden Lohnsteuer-Anmeldung unwiderruflich erklärt, für die betreffende Lohnsteuer zu haften, § 19a Abs. 4a EStG. Die Besteuerung erfolgt dann erst bei tatsächlicher Übertragung der Vermögensbeteiligung.
Die im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehene optionale Pauschalversteuerung zum Steuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) für alle Besteuerungstatbestände des § 19a Abs. 4 Satz 1 EStG ist entfallen, so dass die nachgelagerte Besteuerung zum progressiven Einkommensteuertarif und nicht im Rahmen der Kapitalertragsteuer erfolgen soll.
Die Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts nach Maßgabe von § 19a EStG betrifft nicht Sozialabgaben, die somit weiterhin bereits bei vergünstigter Überlassung der Vermögensbeteiligungen als Sachbezug fällig werden, falls die maßgeblichen Bemessungsgrundlagen überschritten sind. Schwierig ist zudem weiterhin die rechtssichere Bewertung von Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen. § 19a Abs. 5 EStG gewährt allerdings bereits seit 2021 die Möglichkeit, eine vorgenommene Bewertung des gewährten Vermögensvorteils vom Finanzamt im Rahmen einer Lohnsteuer Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) bestätigen zu lassen, jedoch erst nach der Übertragung. Es bleibt damit insbes. unklar, wie mit abweichenden Wertvorstellungen des FA umzugehen ist.
Nach § 3 Nr. 71 EStG ist der INVEST-Zuschuss steuerfrei. Die INVEST-Förderrichtlinie zur Bezuschussung von Wagniskapital privater Investoren in junge Unternehmen wurde am 6.2.2023 angepasst (BAnz AT vom 15.3.2023, B1). Entsprechend wird nunmehr die Steuerbefreiung von Zuschüssen im Rahmen des INVEST-Programms nach § 3 Nr. 71 EStG an die neuen Förderbedingungen angepasst, insbes. durch Erweiterung der förderfähigen Unternehmen um eingetragene Genossenschaften, Erhöhung des Erwerbzuschusses auf 25 % (§ 3 Nr. 71 Buchst. a EStG) und beim EXIT-Zuschuss durch Begrenzung auf 25 % der Investitionssumme.
Durch die Gesetzesänderung werden die Verwaltungsleistungen von alternativen Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB von der Umsatzsteuer befreit. Aufgrund der angespannten Haushaltslage wurde hingegen auf die vorgesehene Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Krediten sowie Kreditsicherheiten durch Kreditgeber verzichtet.
Das Gesetz verdoppelt die Einkommensgrenzen bei der Arbeitnehmer-Sparzulage auf 40 000 € bei Einzelveranlagung und 80 000 € bei Zusammenveranlagung nach § 26b EStG (Verheiratete, Verpartnerte). Dadurch soll sich der Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich erhöhen.
Es wird zudem die Möglichkeit geschaffen, elektronische (Namens-)Aktien in einem elektronischen Wertpapierregister oder Kryptowertpapierregister zu führen. Für Inhaberaktien gilt eine Beschränkung der elektronischen Begebung auf Zentralregisterwertpapiere.
Darüber hinaus wird, im Vorgriff auf die EU-weite Markets in Crypto Assets (MiCA)-Regulierung, eine Regelung zur Aussonderung von Kryptowerten von Kunden in der Insolvenz des Kryptoverwahrers geschaffen. Institute, die Kryptoverwahrgeschäft betreiben, sollen hierfür gem. Änderung des Kreditwesengesetzes Vorkehrungen zur Trennung eigener von verwahrten Kryptowerten treffen.
Bei Börsengängen dürfen Börsen künftig in bestimmten Segmenten auf bislang notwendige Mitantragsteller verzichten, wodurch Kosten reduziert werden. Die Mindestmarktkapitalisierung für Börsengänge wird durch Änderung der Börsenzulassungsverordnung von 1,25 Mio. € auf 1 Mio. € gesenkt. Zudem darf ein Antrag auf Börsenzulassung auch ohne den bislang vorgeschriebenen Emissionsbegleiter als Mitantragsteller gestellt werden.
Die Eigenkapitalgewinnung soll für Aktiengesellschaften insbes. durch regulatorische Erleichterungen beim Börsengang, die gesellschaftsrechtliche Erleichterung von Kapitalerhöhungen und die Ermöglichung der Einführung von Mehrstimmrechtsaktien (§ 135a AktG) einfacher werden.
Durch Schaffung einer Börsenmantelaktiengesellschaft nach §§ 44 ff. BörsenG wird nach Vorbild der US-amerikanischen Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) ein alternativer Weg an die Börse für insbes. jüngere und wachstumsstarke Unternehmen zur Verfügung gestellt.
Kapitalerhöhungen (Aktiengesellschaft) werden erleichtert werden. Die Grenze des vereinfachten Bezugsrechtsausschluss im Aktienrecht wird von 10 % auf 20 % des Grundkapitals angehoben. Zudem werden die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von ArbN und Mitgliedern der Geschäftsführung von 50 % und 10 % auf 60 % und 20 % erhöht. Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages bei Kapitalmaßnahmen gem. § 255 AktG sind nicht mehr im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens, sondern im Spruchverfahren zu entscheiden.
Änderungen gibt es auch bei den Haftungsregelungen für Crowdfunding-Projekte, §§ 32c ff. WpHG. Die angepasste Haftungsregelung soll Anlegern die Durchsetzung von Ansprüchen erleichtern.
Die Finanzmarktaufsicht soll durch den Abbau von Digitalisierungshemmnissen und verbesserte Rahmenbedingungen, etwa für eine auf Antrag mögliche englischsprachige Kommunikation mit Behörden, modernisiert werden. Schriftformerfordernisse im Aufsichtsrecht sollen durch digitale Kommunikationsmöglichkeiten ersetzt werden (§ 42a SAG).
Bei der BaFin wird eine Vergleichswebsite für Zahlungskonten nach der EU-Zahlungskonten-Richtlinie eingerichtet.
Es werden Verschwiegenheitspflichten im Kapitalmarktrecht angepasst (§ 5 WpHG), um den Informationsaustausch der Finanzaufsicht mit den Steuerbehörden zu verbessern.
Im Kreditwesengesetz werden schließlich Regelungen zur Umsetzung des Distributed Ledger Technologie (DLT)-Pilotregimes nach der entsprechenden EU-Verordnung (EU) 2022/858 implementiert.
Weitere durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz beschlossene Änderungen betreffen Verbraucherdarlehensverträge und Restschuldversicherungen.
Künftig greift nach den §§ 307, 308 Nr. 1 Buchst. a und 1 Buchst. b BGB eine Bereichsausnahme von der AGB-Kontrolle für solche Allgemeine Geschäftsbedingungen, die in Verträgen über erlaubnispflichtige Geschäfte nach dem KWG, dem Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) und dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) zwischen Banken und anderen Finanzdienstleistern, die über Erlaubnisse nach diesen Gesetzen verfügen, verwendet werden.
Nicht umgesetzt wurden aufsichtsrechtliche Erleichterungen für offene Immobilienfonds für den Erwerb von Grundstücken, auf denen sich Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung von Strom, Gas oder Wärme aus erneuerbaren Energien befinden und den anschließenden eigenen Betrieb solcher Anlagen.
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